Kommentar |
Seit rund 30 Jahren gibt es einen geisteswissenschaftlichen Diskurs über das Verhältnis von psychischen Traumata in der Literatur und in den Künsten. Unter dem Stichwort „Trauma Studies“ werden einerseits Erkenntnisse und Modelle aus Psychotherapie und Psychiatrie verwendet, um künstlerische Phänomene als (notwendige) Teile eines Prozesses infolge einer Traumatisierung und deren Aufarbeitung zu verstehen und zu würdigen, bspw. als Darstellung oder Wiederholung des Traumas, oder als künstlerischer Versuch, eine dissoziierte Persönlichkeit zu reintegrieren. Traumata treten jedoch nicht nur bei Individuen auf, sondern häufig als kollektive Phänomene infolge von Krieg, Vertreibung, Vernichtung, Massenvergewaltigung etc., die überdies bei ausbleibender Aufarbeitung an nachfolgende Generationen weitergegeben werden können. Daher wurden auch in den Trauma Studies unter den Stichworten „kulturelles Trauma“, „kollektives Trauma“ und „transgenerationale Traumata“ weitergehende Konzepte entwickelt, die „Trauma“ in größeren Zusammenhängen verorten und erklären. Anders als in Deutschland existiert im anglo-amerikanischen Forschungsraum auch in Musikwissenschaft und Sound Studies ein vielschichtiger Trauma-Diskurs, der die Zugänge aus Literatur- und Kunstwissenschaft auf klingende Phänomene überträgt. In dem Seminar werden Konzepte und Methoden der Trauma Studies erarbeitet und an klingenden Beispielen des 19., 20. und 21. Jahrhunderts als Deutungsschema angewendet. Darüber hinaus werden Konzepte der angrenzenden Fächer Musiktherapie und Musikpsychologie einbezogen |
Literatur |
Literaturempfehlungen: Baumgartner, Michael/Boczkowska, Ewelina (Hg.), Music, collective memory, trauma, and nostalgia in european cinema after the Second World War, New York/London 2020.
Cizmic, Maria, Performing Pain. Music and Trauma in Eastern Europe, New York 2011. Calico, Joy Haslam, Arnold Schoenberg's A Survivor from Warsaw in Postwar Europe, Berkeley 2014.
Daughtry, J. Martin, Listening to War. Sound, Music, Trauma and Survival in Wartime Iraq, New York 2015. Fauser, Annegret, Sounds of War. Music in the United States During World War II, New York 2013.
Meinhart, Michelle/Rogers, Jillian C., Introduction. Theorizing Trauma and Music in the Long Nineteenth Century, in: Nineteenth-Century Music Review 20 (2023), S. 3–32.
Rogers, Jillian C., Resonant recoveries. French Music and Trauma Between the World Wars, New York 2021.
Schultz, Wolfgang Andreas, Trauma, Avantgarde, Spiritualität. Vorstudien zu einer neuen Musikästhetik, hg. von Tim Steinke, Mainz 2014. |
Voraussetzungen |
Bedingung für den Erwerb eines BN:
Regelmäßige Anwesenheit, aktive Mitarbeit und Diskussionsbeteiligung, Kurzreferat, Übernahme kleinerer Aufgaben
AP: Welche Prüfungsform: (Klausur, mündliche Prüfung, Studienarbeit, Hausarbeit)
Hausarbeit (Richtwert: 20 Seiten), Studienarbeit (Referat plus schriftliche Ausarbeitung, Richtwert: 15 Seiten) |