Kommentar |
Trotz der seit Jahrzehnten zu verzeichnenden Vorstöße musikwissenschaftlicher Frauenforschung sind komponierende Frauen des 19. Jahrhunderts bis heute zumeist nur der Fachwelt bekannt. Von wenigen Ausnahmen wie Clara Schumann oder Fanny Hensel abgesehen, deren vergleichsweise große Popularität sich nicht zuletzt ihrer einschlägigen Familiensituation als „Ehefrau von“ bzw. „Schwester von“ verdankt, bleiben Komponistinnen in der musikalischen Öffentlichkeit ebenso wie im musikhistorischen Bewusstsein noch immer unterrepräsentiert. Die geringe Kenntnis des im 19. Jahrhundert signifikant anwachsenden Œuvres komponierender Frauen entspricht einem im traditionellen Heroengeschichtsdenken verhafteten kulturellen Gedächtnis, steht aber durchaus im Gegensatz zu den bemerkenswerten Erfolgen, die zahlreiche dieser Komponistinnen zu ihren Lebzeiten – wenn auch unter zum Teil erheblichen Widerständen – errangen.
Das Seminar rückt die Werke ausgewählter Komponistinnen des 19. Jahrhunderts in den Mittelpunkt und interpretiert sie auf der Folie der spezifischen Lebens-, Ausbildungs- Arbeits- und Rezeptionsbedingungen, mit denen diese Frauen in ihrer Zeit konfrontiert waren. In welcher Weise lassen sich Einflüsse stereotyper Geschlechterbilder auf das künstlerische Schaffen feststellen, und mit welchen musikalischen bzw. musikpublizistischen Strategien gelang es Frauen, sich in einer von Männern dominierten Welt zu behaupten? An welchen Vorbildern orientierten sich Komponistinnen? Lassen sich im Notentext genuin „weibliche“ von genuin „männlichen“ musikalischen Formulierungsweisen unterscheiden und für die Interpretation einer Komposition nutzbar machen?
Mit solchen und ähnlichen Fragestellungen verbindet das Seminar Ansätze der Genderforschung mit unmittelbar werkbiographischen und musikanalytischen Aspekten. Fokussiert werden sollen vor allem Komponistinnen, die mit großdimensionierten Werken wie Sinfonien musikalisches Terrain betraten, das – im Unterschied etwa zum Lied oder anderweitigen kleinbesetzten Kammermusikformen – dezidiert als „männlich“ konnotiert war. Schwerpunkte liegen dabei auf Louise Farrenc (1804–1875), Emilie Mayer (1812–1883) und Luise Adolpha Le Beau (1850–1927), es können darüber hinaus aber auch Interessen und Vorschläge der Teilnehmer*innen berücksichtigt werden.
Borchard, Beatrix, „Ein Frauenzimmer muß nicht komponieren wollen...“. Bedingungen künstlerischer Arbeit für Frauen im 19. Jahrhundert am Beispiel von Fanny Hensel geb. Mendelssohn Bartholdy, Clara Schumann und Luise Adolpha le Beau“, in: Bruckner-Symposion. Zum Schaffensprozess in den Künsten, Bericht Linz 1995 (= Bruckner-Symposion Berichte hrsg. von Othmar Wessely u.a.), Linz 1997, S. 45–56.
Breitfeld, Claudia, „Annäherungen an Sinfonien von Komponistinnen des 19. Jahrhunderts“, in: Geschlechterpolaritäten in der Musikgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts, hrsg. v. Rebecca Grotjahn u. Freia Hoffmann, Herbolzheim 2002, S. 117–127.
Maßstab Beethoven? Komponistinnen im Schatten des Geniekults, hrsg. v. Bettina Brand u. Martina Helmig, München 2001
Treydte, Elisabeth, „Schreiben über Komponist_innen. Eine geschlechterforschende Rekonstruktion des aktuellen Diskurses in der Neuen Zeitschrift für Musik“, in: Wissenskulturen der Musikwissenschaft. Generationen – Netzwerke – Denkstrukturen, hrsg. v. Sebastian Bolz u.a., Bielefeld 2016, S. 279–298. |
Leistungsnachweis |
Bedingung für den Erwerb eines BN:
Regelmäßige Anwesenheit, aktive Mitarbeit und Diskussionsbeteiligung, Kurzreferat, Übernahme kleinerer Aufgaben (Analyse, Vorbereitung eines Lektüretextes u.ä.).
AP: Welche Prüfungsform: (Klausur, mündliche Prüfung, Studienarbeit, Hausarbeit)
Hausarbeit (Richtwert: 20 Seiten), Studienarbeit (ca. 45 Minuten Referat plus schriftliche Ausarbeitung, Richtwert: 15 Seiten)
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