In der Allgemeinen musikalischen Zeitung konnte 1806 bereits als »bekannt« und »offenbar« vorausgesetzt werden, dass »die grosse, vollstimmige Orchestersinfonie, so wie sie die Welt den Deutschen, zuerst Haydn und Mozart, verdankt, der höchste und glänzendste Gipfel der neuern Instrumentalmusik sey« (Nr. 39). Hier kommt die hervorgehobene Bedeutung der Gattung Symphonie (auch: Sinfonie) zum Tragen wie ebenso deren Voraussetzung: das noch junge Primat der Instrumentalmusik gegenüber der Vokalmusik, konkret der Oper.
Der Symphonie galten komplexe Ansprüche: Der Ehrgeiz von Neuartigkeit bzw. des originalen Werks, die Vermittlung von Konflikthaftigkeit und Einheit im Sinne einer spezifischen Problemstellung, die einer final gerichteten musikalischen Bewältigungsstrategie zugrunde liegt.
Wenn diese Gattung als zunächst spezifisch »deutsch« eingeordnet wurde, so erfuhr sie im Verlauf des 19. Jahrhunderts »mit dem Durchbruch zur Nationalsymphonik« (Steinbeck) eine europäische Weitung. Ebenso wie die Symphonie folglich den Gedanken von Nationalstaatlichkeit transportieren konnte, war sie Trägerin aufklärerischen, diskursorientierten Gedankenguts. Zudem ist sie Spiegel gesellschaftlicher ›Vermassung‹: Die Größe der Mittel bzw. des Aufführungsapparats (bei gewissermaßen demokratischem Ausgleich der einzelnen Instrumentalstimmen untereinander) und ein sich ausweitender Begriff von ›Öffentlichkeit‹ – räumlich konkret die Masse der Zuhörerschafft in immer größeren Sälen – verschränken sich mit zunehmender Länge der Werke und generell einem ideellen Anspruch von ›Größe‹ (u.U. einschließlich des Adjektivs »groß« als Titelbestandteil).
Im Seminar wird die Gattung Symphonie im Zeitraum des sogenannten ›langen 19. Jahrhunderts‹ diskutiert – zwischen der »Krise des Ancien régime der nordwestlichen Welt« (Hobsbawm) im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts und dem Ersten Weltkrieg. Entsprechend drängen angesichts spezifischer politischer und sozioökonomischer Ereignisse im weiteren Sinne geistesgeschichtliche Bezüge der Gattung in den Fokus.
Vor diesem Hintergrund werden musikformale Charakteristika erörtert – dies auch mit der Fragehaltung, ob sich die Symphonie eigentlich ›entwickelt‹ hat oder »zirkumpolar« bis ins 20. Jahrhundert um Beethoven kreist: So supponiert Carl Dahlhaus, »daß die Geschichte der Gattung weniger eine Entwicklung darstellt, in der jede Stufe die Konsequenz einer früheren und die Voraussetzung einer späteren ist«; vielmehr gelte mit Referenz auf Beethoven, »daß die wesentlichen Werke sämtlich um ein Zentrum kreisen, auf das sie sich unmittelbar beziehen, ohne untereinander anders als durch flüchtige Zusammenhänge verknüpft zu sein«.
Im Sinne der Repertoirekunde soll ein wesentliches Element des Seminars die Vorstellung exemplarischer symphonischer Werke in Form studentischer Referate sein, die obigem breiten Diskussionsfokus entsprechen und von einer ppt-Präsentation bzw. einem differenzierten Handout flankiert werden. |