Etwa seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich der Stellenwert des Klangs in der komponierten notierten Musik gewandelt: War er bisher eher farbiges Gewand struktureller Ideen, wird der Klang nun zum gleichwertigen Formgeber neben Melodik, Harmonik und Rhythmus oder gar zur strukturell entscheidenden Größe.
Ausgehend von der Analyse einiger zentraler Werke der komponierten notierten Musik der letzten gut 100 Jahre können die Teilnehmer*innen in eigenen Übungen kreative Techniken zur schriftlichen Fixierung von instrumentalen Farben, Effekten und Zusammenklängen erproben. Hörend und lesend soll der Klang interpretiert sowie seine Physiognomie in Hinblick auf Farbe, Form und Ausdrucksmöglichkeiten beschrieben werden. Dabei kann Notation gezielt zu vorherbestimmbaren Ergebnissen in der Interpretation führen, sie kann aber auch offen bleiben und damit Klanginterpretation anregen. Dieses Span- nungsfeld erstreckt sich zwischen komplex-detaillierter Schreibweise etwa des Serialismus und offenen Notationsformen des Indeterminismus.
Stückvorschläge: Claude Debussy – Jeux (1913) / Igor Strawinsky – Le Sacre du Printemps (1913) / Arnold Schönberg – Orchesterstück op. 16 Nr. 3, „Farben“ (1909) / Karlheinz Stockhausen – Gruppen (1957) / György Ligeti – Kammerkonzert für 13 Instrumente (1970) / Gérard Grisey – Partiels für 18 Musiker (1975) / Meredith Monk – Dolmen Music (1981) / Helmut Lachenmann – Mouvement - vor der Erstarrung für Ensemble (1983/84) / Kaija Saariaho – Lichtbogen für 9 Musiker und Live-Elektronik (1985/86). |