Alle Künstler*innen haben schon mal ein Manifest geschrieben. Dieser Satz stammt selbst aus einem Manifest, und sogar wenn das nicht wahr wäre, hätte er Bestand: als Behauptung. Angesiedelt zwischen privatem Grundsatz und Gesellschaftsutopie, Brainstorm und Prophetie, Kunstschau, Barrikadensturm und Egotismus stellen künstlerische Manifeste eine eigene Spezies dar. Sie sind nie fertig, sie entbehren jeder Grundlage, unverständlich geschrieben sie sind sowieso, aber gerade deswegen entfalten sie ihre Kraft. Wie sonst hätte "Die Hitparade von Radio Luxemburg anhören" zu einem Teil jener Publikumsbeschimpfung (von 1966) werden können, die ihren Autor Peter Handke über Nacht weltberühmt machte? Oder Gegen den Tod – welchen Sinn hat so ein Aufruf jenseits einer Klage, die wie jede*r weiß nichts nützt? Nun, diesen Sinn, dass damit André Breton 1924 den Surrealismus begründet hat. Vor dem Hintergrund sollten alle Künstler*innen zumindest mal versucht haben, ein Manifest zu schreiben, und das Seminar versteht sich hierfür als Plattform. Neben den Manifeste-Klassikern der frühen Avantgarden (u.a. des Naturalismus, Surrealismus, Futurismus, Expressionismus, Dadaismus, Fluxus) werden sprachliche und akustische Formen, visuelle Strukturen und performative Moden des Manifestemachens gesichtet mit dem Ziel, im Plenum selbst ein Manifest zu formulieren.